Einst war ich auf einer Demonstration gegen den Block9 im Großkraftwerk Mannheim, weil ich glaube, wir müssen fossile Energieträger überwinden. Aber ich kann auch Argumente der Befürworter vom Block9 nachvollziehen. Sie sind nicht meine Feinde, sondern Partner im demokratischen Diskurs. In den komplexen Fragen vom vernünftigen Umgang mit Materie und Energie unterliegen meine wie ihre Einschätzungen dem Irrtumsrisiko.
Bei der Demo war ich von heftigen Block9-Gegnern umgeben, einige mit der Zigarette in der Hand. Meine Frage, wie das passt, rauchend die Faust gegen ein Kohlekraftwerk zu recken, löste Wut aus. Ich wurde belehrt, dass es in ihren Kreisen viele Raucher gebe. Dem hielt ich entgegen, dass etwas nicht dadurch richtig wird, dass andere es auch falsch machen. Eine Dame erklärte mir, mit einer Hand auf die kleine Zigarette mit der andern auf den großen Schornstein zeigend, dass es da um ganz andere Dimensionen gehe. Ich gab ihr Recht: An der kleinen Kippe sterben weltweit viel mehr Menschen als an allen Atom- und Kohlekraftwerken zusammen. So Recht zu bekommen, war ihr gar nicht recht... Nicht zum ersten Mal erlebte ich, wie „Systemkritiker“ sich wild empören, wenn es um Konzerne und andere Großstrukturen geht. Sobald aber negatives Alltagsverhalten von Herrn Jederfrau und Frau Jedermann zur Sprache kommt, wird deren anti-ökologisches und gemeinschaftsschädliches Verhalten verteidigt.
Thema Grillen: Was einst zu besonderen Anlässen hie und da im Sommer stattfand, wird den Menschen seit Jahren als tägliches Muss eingebläut: „interaktives“ Grillen mit Starköchen, Grillempfehlungen im Wetterbericht usw. Von „Umweltschützern“ hört man dazu: nichts. Obwohl Grillen, wenn es unentwegt, massenhaft und in dichter Bewohnung erfolgt, viel Feinstaub und andere Schadstoffe emittiert und so Menschen belästigt. Bewohner der Quadrate müssen sich zur Zeit gegen solche Beeinträchtigungen ihrer (ohnehin eingeschränkten) Lebensqualität durch Restaurants am Marktplatz wehren.
Humane Urbanität kann nur auf der Basis von Achtung und Rücksichtnahme gelingen. Diese kostbaren Einstellungen und Handlungsbereitschaften werden seit Jahren an die Wand gedrückt. Der aggressive und missbräuchliche Anspruch auf „Toleranz“ verkommt längst zum Totschlagargument zur Durchsetzung egoistischer Individual- und Gruppeninteressen. Mein Fazit: Wenn Anwohner über Wochen ihre Fenster nicht öffnen können, weil Rauchgas ihnen den Atem raubt, müssen die entsprechenden Emissionen entschieden reduziert werden. Dazu bräuchte es keine Gutachten, sondern nur Anstand und Verstand seitens der Verursacher.
WOCHENBLATT Mannheim
24. August 2017