Jetzt als Podcast anhören:
Gemälde: Waltraud Gossel (Auschnitt)
„Der Weisse Neger Wumbaba“
Hans-Peter Schwöbel
Was für ein goldiges, was für ein zärtliches, was für ein kreatives Missverständnis: Der weisse Neger Wumbaba. 2004 haben Axel Hacke und Michael Sowa dieses wunderbare Büchlein veröffentlicht mit dem vielsagenden Untertitel: Kleines Handbuch des Verhörens. Ich kann es zur Lektüre empfehlen.
Alleine die ungewöhnliche Bedeutung des Wortes Verhören, nicht im Sinne von verhört werden, sondern mit der Bedeutung ...sich verhören... ist eine kleine Offenbarung. Was spricht dagegen, die Ambivalenzen im Wort Ver-stehen als poetischen Code für Missverstehen zu verstehen? Verstehen und Missverstehen sind Zwillinge, wie „Der weisse Nebel wunderbar“ (Abendlied von Matthias Claudius) und „Der weisse Neger Wumbaba.“ Gleichzeitig sind beide Zeilen ein wunderbares musikalisches Äquivalent.
Das erinnert mich an ein Erlebnis, das meiner Frau, Susanna Martinez, weiland als junger Lehramtsanwärterin beschieden war. In einer einklassigen Volksschule (Zwergschule) im vorderen Odenwald begann sie den Morgen zusammen mit den Schülern mit diesem schönen Gebet:
Wie fröhlich bin ich aufgewacht!
Wie hab ich geschlafen so sanft die Nacht.
Hab Dank, im Himmel du Vater mein,
dass du hast wollen bei mir sein.
Behüte mich auch diesen Tag,
dass mir kein Leid geschehen mag.
(Volksgut)
Und die Klasse sprach die letzte Zeile mit Inbrunst so: ...dass mir kein Leib (!) geschehen mag... Was für eine Gelegenheit, sich über dieses Missverständnis nicht zu mokieren, sondern als Einstieg in liebenden und verstehenden Umgang mit der Deutschen Sprache zu nutzen.
Nahe liegt, dass der Titel Der weisse Neger Wumbaba heute das Geheul der politisch korrekten, rasse- und gendersensiblen Volkserzieher auslösen würde. Jener Bildungsnotständigen, die Wörter tabuisieren, unabhängig vom Kontext, aus dem allein sich der Sinn ergibt. Ihnen sei ein dreifach donnerndes LMA gewidmet.
Hier eine Strophe aus meinem Gedicht Monnema Fetzä, indem ich eine Begegnung mit einem schwarzen amerikanischen Soldaten im Mannheim der fünfziger Jahre poetisch aufleben lasse:
Laschda un Ponza brumme dursch Schdroße,
Neger om Lenga – schääne, schdarge un große.
Isch will aa’n Neger wärre, groß, schdarg un schää,
mit dunkle Aache un schneeweiße Zäh.
Wer solche Liebeserklärungen in rassistische Statements umdeutet, ist einfach dumm.
Der Schwöbel-Blog am Samstag, 10. August 2024