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Foto: Hans-Peter Schwöbel
Das Windrad als Strohhalm
Hans-Peter Schwöbel
„Der Wald ist sicherlich der schlechteste Standort für Windräder.“
(Bernd Molitor, Co-Fraktionssprecher der Grünen Liste Schriesheim, im Gespräch mit dem MANNHEIMER MORGEN, Donnerstag, 31. Juli 2025)
Während meiner aktiven Zeit an meiner Hochschule führte ich mit immer neuen Gruppen von Studenten das Projekt Wir erkunden die Kurpfalz durch. Wichtigste Lernziele: sich unsere Region mit anspruchsvollen, selbstorganisierten Exkursionen zu erschließen und dabei die studentische Organisations-, Beurteilungs- und Kritikkompetenz zu stärken.
Ladenburg gehörte zu unseren regelmäßigen Zielen, wo mein Freund, Bürgermeister Reinhold Schulz, uns sehr informative Begehungen der Stadt bot. Dabei erfuhren wir, dass es in den fünfziger Jahren, dem damaligen Zeitgeist folgend, in Ladenburg Bestrebungen gegeben hatte, die Altstadt plattzumachen („weg mit dem alten Grümpel…“), um eine neue, autogerächte (!) Betonstadt aufzubauen. Die Gemeindeoberen wurden an dieser Dummheit nicht durch Einsicht gehindert, sondern durch die leere Gemeindekasse. Als später die finanzielle Lage den Kahlschlag ermöglicht hätte, hatte sich der Zeitgeist gedreht. Heute ist die Ladenburger Altstadt ein Juwel der Kurpfalz.
Klamm, Klammer, am Klammersten…
In diesen Tagen stehen Gemeinden im Kraichgau und an der Bergstraße vor ähnlichen Versuchungen mit umgekehrten Vorzeichen. Klamme Kassen verführen Gemeinderäte dazu, wider besseres Wissen für radikale Industrialisierung, ökologische Schädigung und ästhetische Verschandlungen ihrer schönen (Wald-)Landschaften zu stimmen.
Im MM-Gespräch vom Mittwoch, 06. August 2025, sagt die Fraktionssprecherin der Initiative Schriesheimer Bürger (ISB), Liselore Breitenreicher, bezogen auf die Windradprojekte Schriesheim / Dossenheim: „Auf der einen Seite bin ich gegen derartige Anlagen an dieser Stelle, um den Wald zu schützen. Auf der anderen Seite sehe ich die finanziellen Vorteile, die in diesen Anlagen für den Schriesheimer Haushalt liegen würden.“
Pro-Windrad-Wortführer versuchen erst gar nicht, ihr Ansinnen mit Klimaschutz zu begründen. Entsprechende „Argumente“ wären auch unglaubwürdig. Es geht einfach um Geld für leere Gemeindekassen und das Abgreifen von Subventionen. Das Windrad als Strohhalm, an den sich Klamme klammern. Dies ist legal, die entsprechenden Vorgänge haben aber einen starken Beigeschmack.
Anders kann man die oft klimafeindliche und anti-ökologische Windindustrie wohl nicht mehr unter die Leute bringen. Zumal nicht in windarmen Regionen, wie der hiesigen und in windarmen Zeiten, wie wir sie seit geraumer Zeit beobachten. Und wenn man die Kette von der Rohstoffgewinnung, über die Herstellung, die Lieferung, den Einsatz und die allfällige spätere Entsorgung der Kolosse mit allen Wirkungen und Nebenwirkungen lückenlos im Auge behält.
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“
Die aktuelle Situation könnte zu jenen gehören, in denen sich diese Hölderlin-Hoffnung erfüllt. Dies Rettende könnten die Bürgerentscheide sein, in denen sich die Bürger gegen das scheinbar unausweichliche Muss der Windmühlen wehren können. Die mutigen Frauen und Männer, die für diese Bürgerentscheide kämpfen, verdienen unsere Begleitung und unseren Beistand. Die Menschen, Städte und Dörfer in unserer schönen Heimat werden es ihnen schon in naher Zukunft danken.
Der Schwöbel-BLOG am Samstag, 23.08.2025